Guizhou – eine Reise ins Ungewisse

Q_XijiangNiemand hatte behauptet, das Reisen während der Coronazeit einfach wird, aber so spannend hatte ich mir das nicht vorgestellt…

Der Urlaub in die Provinz Guizhou Anfang April war schon seit Monaten geplant und die Flüge schon letztes Jahr gebucht. Es sollte mein letzter Urlaub in China werden. Dann kam Corona und alles stand auf der Kippe. Ich überlegte lange und zögerte Hotels zu buchen, doch da sich die Lage Ende März besserte und Guizhou zu einer, vom Virus wenig betroffenen Region gehörte, buchte ich via Ctrip.

Es dauerte nicht lange, dann rief mich eine nette Dame von Ctrip an und sagte mir, dass meine gebuchten Hotels keine Ausländer aufnehmen, wegen Corona und ich solle mir doch überlegen, ob ich überhaupt nach Guizhou reisen will. Natürlich wollte ich dorthin, deshalb bat ich sie, mir ein anderes Hotel zu empfehlen, das mich aufnehmen könne.

Zwei Tage später rief sie wieder an und sagte, dass es keine Hotels in der Provinzhauptstadt Guiyang gäbe, die mich aufnehmen könnten. Und außerdem könne es sein, nach Ankunft am Flughafen direkt zwei Wochen in ein Quarantänehotel gehen zu müssen. Ich konnte es nicht glauben, dann suchte ich nach einem Hilton in Guiyang und rief an. Der Manager, der blendendes Englisch sprach (das ist der Vorteil an großen internationalen Hotels in China), erklärte mir, dass es keine Regel gibt Ausländer nicht aufzunehmen. Nur, dass viele Hotels es nicht wollten, um auf Nummer sicher zu gehen (damit keine Beschwerden der chinesischen Gäste kommen). Er würde mich aber, solange mein Code grün sei, gerne in seinem Hotel willkommen heißen. Ich checkte meinen Healthcode für Guiyang: Grün! Zur Sicherheit ließ ich mir von meiner Community in Suzhou einen Zettel geben, auf dem Stand, dass ich 14 Tage in strikter Quarantäne in meiner Wohnung war und ein roter Stempel war auch drauf (ein roter Stempel ist in China macht jedes Papier hoch offiziell!). 😉

Also flog ich von Shanghai Hongqiao drei Stunden Richtung Südwesten. Am Flughafen war nichts los und keiner wollte groß etwas von dem langen Ausländer bis zum Aufsetzen der Maschine in Guiyang.

‚Ich möge doch bitte als Erster aussteigen‘, sagte man mir. Ich fragte warum? ‚Weil ich Ausländer sei‘. Ich sagte, dass ich es nicht verstehe und fragte wieder ‚Warum?‘ ‚Wegen des Virus!‘. Ich erwiderte abermals, dass ich es nicht verstehe, wusste aber, dass eine weitere Diskussion sinnlos war also ging ich raus. An der Flugzeugtür wartete schon ein Mann im Ganzkörperschutzanzug und Maske und bat mich höflich ihn zu begleiten. Er bat mich auch um mein Gepäckschein, damit ein Kollege von ihm mein Rucksack abholen könne. Ich war aufgeregt und nervös. Er brachte mich zur Polizei, ich musste mit meinem Handy einen Code scannen, der Auskunft über meinen Verbleib der letzten 14 Tage in Form von Ampelfarben gab. Wie vor dem Flug schon gecheckt, war mein Code grün. 😉

Doch dann fragte man mich nach dem schriftlichen Ergebnis meines Coronatests. Ich sagte, ich habe keinen Test gemacht, da ich ja schon Ende Februar nach China zurückgekehrt bin und erst bei Rückkehrern nach Mitte März ein Test verpflichtend gemacht wurde. Die Polizisten waren verunsichert und sagten mir, dass ich einen Test bräuchte und nun einen machen müsse. Ich sah mich schon zwei Wochen im Q-Hotel sitzen. Dann zog ich aber meinen Joker, mein Health-Zertifikat aus Suzhou heraus. Die Augen der Polizisten wurden beim Anblick des roten Stempels groß und man ließ mich schlussendlich passieren 🙂

Im Hilton Hotel angekommen, zeigte ich auch gleich meine Papiere und meinen Code und konnte auf mein Zimmer. Während ich duschte rief mich jemand auf meinem Handy an. Wie sich später herausstellte, war es wieder die Polizei. Aber ich war froh in Guiyang angekommen zu sein.

Am Sonntag ging es mit dem Zug in das benachbarte Kaili. Ich wurde in Guiyang im Bahnhof intensiv kontrolliert und 45 Minuten später in Kaili am Bahnhofsausgang wieder. Dabei standen fünf Sicherheitsleute im engsten Kreis um mich rum und jeder fotografierte meinem Pass und die Unterlagen mit seinem Handy. Nach gefühlt einer Ewigkeit konnte ich weiter und fuhr in den alten Teil der Stadt. Dort ist China noch anders als in meiner Nachbarschaft in Suzhou 😛

In Guiyang lebt eine Minderheit Chinas, die Miao. Und nicht weit weg von Kaili liegt eines der bekanntesten Dörfer der Miao: Das Xijiang Miao Village.

Also machte ich mich auf zur lokalen Busstation um ein Ticket dorthin zu kaufen. Die Dame am Schalter, bat mich zu warten und lief zum Sicherheitschef der Station. Dieser sah mich und sagte: ‚Das Dorf ist geschlossen für Ausländer und Bustickets gibt es für mich auch keine.‘ Ich überlegte kurz, ob ich in eine Diskussion einsteige, doch der Mann war zwischen 50 und 60 und gehört damit zu der Gruppe von Chinesen, die Dank Mao, nicht in den Genuss einer Schubildung kamen. Er hatte diese Position als Sicherheitschef wohl aus anderen Gründen, wahrscheinlich hat das etwas mit der Nähe zur Partei zu tun, deshalb verließ ich die Station ohne ein Ticket und nahm mir ein Taxi 😀

Die Zufahrtstraße zu dem Dorf war mit einer Polizeikontrolle versperrt, wo jede Person, die dort reinwollte kontrolliert wurde. Mein Herz klopfte, da mir mehrere Leute zuvor gesagt hatten, dass ich da nicht reinkomme. Natürlich dauerte meine Kontrolle am längsten, aber die Polizisten waren sehr freundlich und mein Taxifahrer völlig entspannt, trotz der langen Wartezeit und schlußendlich durfte ich durch. Mir standen die Freudentränen in den Augen, als ich nach weiteren Kontrollen am Ticketschalter (ja, für solche Minderheitendörfer wird Eintritt verlangt) endlich das berühmte Dorf betrat.

Wo sich sonst die Chinesen in Reisegruppen zu tausenden versammeln, war Ruhe und Entspannung angesagt und auch mein Hotel mit dessem netten Besitzer war großartig. Das Zimmer konnte ich mir quasi aussuchen, war ja sonst niemand da, und ich hatte davon einen herrlichen Blick auf die schönen Häuser.

Doch dann war abends mein Handy auf einmal offline 😦 Hatten sie mir meine Handy-SIM ausgeknipst, damit ich nicht mehr weiterreisen kann? Damit würde sich kein Healthcode mehr scannen lassen! Mir blieb das Herz stehen. Nach quälenden Stunden der Ungewissheit, war ich wieder online. War wohl nur ein Antennenproblem in dem Dorf… Puh!

Ich war zwei Nächte dort, so hatte ich genügend Zeit mir alles anzuschauen und auch entlang der frisch bepflanzten Reisfelder zu wandern. Gut um runterzukommen, nach der vielen Aufregung die Tage zuvor.

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Nach Xijiang ging es dann weiter nach Tongren, ans östlichste Ende der Provinz.

Die Stadt erwartete mich mit laut verzerrter Musik und vielen tanzenden Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz. Tongren ist wie viele mittelgroße, chinesische Städte ein Mix aus Abrisshäusern, Baustelle und Werbetafeln. Mein Hotelzimmer sah aus wie von einem Stundenhotel: auf dem Boden hinter der Zimmertür lagen Visitenkarten leicht bekleideter Massagedamen und die Minibar offerierte neben Wasser und Bier auch Spielkarten, Kondome, Reasierer, Unterwäsche für sie und ihn und Socken mit ‚deep natural breathing‘. Die Bettdecke roch nach süssem Parfum und Zigarettenrauch. In chinesischen Hotels wird nicht zwischen Raucher- und Nichtraucherzimmern unterschieden. ‚Hier können sie beides‘, wie mir ein Hotelier mal schön erklärt hat. 😛

Doch wegen der Stadt war ich nicht hier, sondern wegen dem Berg in der Nähe: Fanjingshan mit seinem Tempel auf der Doppelspitze des Gipfels. Also am nächsten Morgen früh raus und mit dem ersten Bus zum Berg. Dort angekommen erfuhr ich, dass alle Tickets für diesen Tag (es gibt nur eine bestimmte Menge, wegen Corona) weg waren und ich solle doch morgen wieder kommen. Shit! Aber dann ließ ich bei der jungen Dame meinem Charm spielen und erklärte ihr, dass ich extra aus Suzhou nur wegen dem Berg nach Guizhou gereist sei und ich morgen schon wieder zurück müsse. Es funktionierte und ich bekam ein Ticket 😛 Glück gehabt! 🙂

Auch das Wetter schien gut zu sein, so nahm ich die Treppen und nicht die Doppelmayr-Seilbahn. Doch oben angekommen zog das Wetter zu und es fing an zu regnen. Nichts wars mit dem Tempel, er war in eine Nebelsuppe gehüllt. Durchnässt, durchgefroren und ein wenig entäuscht nahm ich die Seilbahn bergab. Unten erwartete mich wieder blauer Himmel :-/ Mein Glück war wohl am Morgen schon aufgebraucht…

Von Tongren ging es wieder zurück nach Guiyang. Diesmal stieg ich in einem Tochterhotel der Hiltongruppe ab, welches mehr im Zentrum war als das Hilton davor. Es war sogar mitten drin im Trubel und unweit des Qianling Parks, den ich mir am nächsten Morgen anschauen wollte. Diesmal kam nicht nur die Polizei wegen mir im Hotel vorbei, sonden auch die Damen von der Community und wollten meine Geschichte hören. Aber es war alles gut.

Bis am nächsten Morgen. Ich war auf dem Weg zum Park und checkte meinen Healthcode. Ich erschrak, den er war gelb! Ich lief zurück zum Hotel und klagte mein Leid. Die Dame an der Rezeption sagte, dass das kein Problem sei. Irgendwann verstand ich, dass es in Guiyang nicht nur drei sondern fünf Farben des Codes gab und Gelb tatsächlich kein Nogo war. Doch ich erklärte ihr, dass ich als Ausländer mit Grün schon Probleme hatte und Gelb nur zu unnötigen Diskossionen führen würde und nach ein paar Telefonaten schaffte sie es tatsächlich meinen Code wieder auf Grün schalten zu lassen! 😀 Everything is possible in China (but nothing is easy)! So konnte ich doch noch in den Park.

Die komplette Zeit hatte ich keinen einzigen Ausländer gesehen und tatsächlich waren die allermeisten der wenigen Reisenden aus der Provinz und meine Reise ging ja noch weiter. Auch mein Highlight Guizhous habe ich euch noch nicht vorgestellt, aber das werde ich in meinem nächsten Beitrag tun… Seid gespannt! 🙂

 

7 Kommentare zu „Guizhou – eine Reise ins Ungewisse“

  1. Wow! Du traust Dich was! Manche Dinge scheinen sich in China nicht zu ändern. Trotz aller Technisierung ist so ein roter Stempel am Wichtigsten. Toller Bericht. Bin schon gespannt auf die Fortsetzung!
    LG
    Ulrike

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    1. Liebe Ulrike, danke für deinen Kommentar. 🙂
      Ja, es war ein richtig intensiver Urlaub, da ich mich richtig mit den Menschen auseinandersetzen musste. Dort konnte ich nicht undercover unterwegs sein. Es war ein toller Trip und ich bin sehr dankbar, diesen machen zu können.

      LG
      Christoph

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  2. Hi!

    Wir haben schon im Februar sämtliche Reisepläne gecancelt, eigentlich wollte ich im April während der Osterferien mit meinen Jungs auch in die Ecke. Ich glaube, meine Abenteuerlust wäre dann doch an ihre Grenzen gestoßen, spätestens beim gelben Code…

    Aber toll, dass es bei Dir geklappt hat, das sind großartige Eindrücke! Bin ebenfalls gespannt auf die Fortsetzung!

    LG Linni

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